Dieser ihm von den durch ihn unterstützten Lepra-Kranken auf den Philippinen zugedachten Ausdruck war für Ernst Degasperi ein Ehrentitel. Und ein Radikaler, ein an die Wurzel der Fragen um Frieden und Völkerverständigung gehender war er. Es ist wohl kein Zufall, dass eines der in seiner Kunst immer wieder kehrenden Motive die knorrigen Wurzelstöcke der Zillertaler Alpen waren.
Woher kommt diese innere Kraft, diese wohl auch manchmal als Härte verstandene Direktheit seiner künstlerischen Sprache? In Wien, während seiner Lehrzeit, erlebte er den Bombenterror, die Not, den Tod, Verfolgung und Zerstörung. Als 18-jähriger noch in den letzten Kriegsmonaten eingezogen sah er die Zerstörungen in Hamburg, Dresden und Wien, erlebte den Tod von dreihundert seiner Kameraden, die von Flammenwerfern lebendig verbrannt wurden.
Viele sind durch solche Gräuel gegangen, viele sind daran zerbrochen. In Ernst Degasperi haben diese Erlebnisse, wohl auch durch seinen Glauben angeleitet und bestärkt, die Überzeugung ausgelöst, dass so etwas nie wieder vorkommen darf, dass es unsere Pflicht als Mensch ist, dafür zu sorgen, dass nie wieder so etwas geschieht.
Als er am 20. August 1963 die Berufung zum Künstler erlebte, entstand in einer Ekstase von 103 Tagen sein erster grosser Zyklus, die Apokalypse, der bis heute einen zentralen Punkt in seinem Schaffen einnimmt.
Natürlich ist das Christentum eine der Hauptinspirationen für den Künstler Degasperi gewesen. Doch er hat diesen Glauben mit weit offenen Armen er- und gelebt. Jetzt, im 21. Jahrhundert, würde man ihn wohl einen spirituellen Künstler nennen.
Es ist seine Geistigkeit, die ihn inspiriert hat. Er ist ein "Idealist", im ursprünglichen philosophischen Sinne des Wortes, der sich durch die geistige Welt inspiriert, der diese Gedanken für uns in Materie, in seine Kunst verwandelt hat, und damit die dahinter stehende Idee kraftvoll in unser Leben wirken lässt.
Heute steht die Welt an einem Punkt ihrer Geschichte, wo wieder einmal Religionen und ihre Auswüchse zum Vorwand genommen werden, um Macht und Geld zu erobern, meist auf dem Rücken derjenigen Ärmsten, Ausgegrenzten, die sich dagegen nicht wehren können. Die Versöhnung der Weltreligionen, der grossen geistigen Strömungen, die die Kulturen dieser Welt in höchstem Masse geprägt haben, ist der einzige Weg, um dem ausufernden Materialismus in den Arm zu fallen.
All das hat Ernst Degasperi durch sein künstlerisches Werk und durch sein Handeln als Mensch getan. Es ist erstaunlich, leider auch ein wenig erschreckend, wie aktuell sein Werk auch nach seinem Tod gerade wieder wird.
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